Wenn man den Medien Glauben schenken kann, tut es im Moment die halbe Welt. Vom Papst bis zum amerikanischen Präsidenten und von Armin Wolf zu Justin Bieber. Sie alle fotografieren sich selbst mit ihrem Smartphone in allen möglichen und unmöglichen Situationen (=Selfie).

Und egal, ob es mich oder die Welt draußen interessiert … sie verbreiten diese Bilder mit Hilfe von Facebook, Instagram oder WhatsApp. Egal, ob sie auf einem Berggipfel, in der Disco, beim Zahnarzt oder auf dem WC sind … sie strecken den Arm mit ihrem Smartphone aus, positionieren als geübte Selfier das Handy idealerweise 20cm oberhalb der Augen und drücken oder „touchen“ den Auslöser. Wenn sie besonders „hip“ (oder vielleicht auch nur bescheuert) erscheinen wollen, verziehen sie ihren Mund zu einem Duckface (Lippen nach vorne schieben) und sehen dabei aus wie eine zugekiffte Ente.

Zu Beginn dieses Trends waren vor allem Teenager und typische Szene-Girlies die Vorreiter. Inzwischen folgen mehr und mehr „gestandene“ Mannsbilder dieser Web 2.0 Mode. Haben wir ein neues Auto – klick. Sind wir auf dem tiefverschneiten Gipfel dem Yeti begegnet – klick. Gerade im Nespresso-Shop und fühlen uns wie der gute George – klick. Eine neue Freundin – klick. Neue Krawatte – klick. Voll besoffen – klick. Neuer Bart-Style – klick. Einfach nur langweilig – klick. Millionen solcher Selfies gehen online … Minute für Minute weltweit.

Der uns angeborene Narzissmus wird mit Hilfe des Webs globalisiert und gleichzeitig auch akzeptierter. Wir stellen unser Ego ins Schaufenster des Internets.

Ist das nun bedenklich, verwerflich, dumm oder vielleicht auch ein willkommener Ausdruck unseres steigenden Selbstwertgefühls?

Für unsere Eltern- und Großelterngeneration war das bescheidene Zurücknehmen der eigenen Persönlichkeit und der Bedürfnisse eine Tugend und die gegenteilige, übersteigerte Selbstverliebtheit ein Charakterfehler. Das ICH in den Mittelpunkt zu stellen ist heutzutage „in“ und mit Hilfe der modernen Medien ungleich einfacher als noch vor 20 Jahren. Im Web 2.0 ist es erstrebenswert sexy, reich, erfolgreich – und wenn wir das leider nicht sind – dann zumindest „cool“ und „trendy“ zu wirken.

Seht her, wen ich kenne … wen ich getroffen habe … wo ich auf Urlaub war … welches tolle Wohnzimmersofa ich habe (interessiert das irgendein Schwein?) … wie oft mein Kind in die Windeln geschissen hat (Hurra, wir gratulieren!) …

Alle Selbstdarsteller suchen Aufmerksamkeit, Zuspruch, Komplimente und viele „Likes“ … also „Daumen hoch“ für unsere Egos!

Naja, höre ich oft, ich möchte bestimmte Menschen eben an meinem Leben teilhaben lassen. Und das geht über Facebook eben einfacher und schneller als mit 20 Telefonanrufen (die wir sowieso niemals machen würden). Tja, das ist nur die halbe Wahrheit …

In Wirklichkeit geht es weder um Wohnzimmersofas, Kinder oder tolle Urlaube. Es geht in Wahrheit immer um die Person, die dahintersteht. Es geht um den Menschen, der gesehen, gehört und letztendlich geliebt werden möchte.

Wir haben nur nicht den Mut uns klar zu deklarieren. Wir verstecken unseren Wunsch nach Beachtung hinter Bildern von Häusern, Autos, Möbelstücken, Kindern, Haustieren, Wiesenblumen oder Gipfelkreuzen.

Wir sind einfach zu feige um „Ich möchte gesehen und geliebt werden“ zu sagen.

Und genau aus diesem Grund plädiere ich für mehr Selfies. Fotografieren wir uns selbst. Immer und in allen Lebenslagen. Und das gilt besonders und gerade für uns Männer. Polieren wir unser Ego auf. Verstecken wir uns nicht hinter belanglosen Bildern von einsamen Waldlichtungen oder Sonnenuntergängen.

selfie_ferrariNein, legen wir uns auf die Motorhaube unseres neuen Ferrari und machen ein Selfie. Umarmen wir unsere neuen Winterreifen und machen ein Selfie. Rauf mit Brille und Schihelm und klick … Selfie. Sind wir einfach gut drauf und könnten die ganze Welt umarmen … breites Grinsen und Selfie. Geht es uns miserabel und fühlen wir uns zum Kotzen … macht nichts … auch das gehört zu uns … Selfie bitte.

pumpsStatistisch betrachtet lieben Frauen Selfies in scharfen Designer-Klamotten inklusive Pumps. Für Männer ist das klassische, männliche Statussymbol Auto eine beliebte Selfie-Kulisse.
Eine geile Karre auf heißen Reifen ist für viele Männer immer noch der Traum schlafloser Nächte und eignet sich hervorragend für unzählige Selfies in verschiedensten Varianten. Autoreifen sind damit so etwas wie das maskuline Pendant zu den weiblichen Pumps … nämlich das einzige Verbindungsglied des „Fahrgestells“ zur Straße.

Wenn also die „Bereifung“ nicht stimmt, leidet der Gesamteindruck wesentlich. Fragen Sie mal Heidi Klum oder Sebastian Vettel ;-)

Stellen wir uns als Mann in den Mittelpunkt. Wir verdienen das, wir brauchen das. Wir Männer werden generell zu wenig gelobt, zu wenig beachtet und zu wenig geliebt … zumindest nach unserem subjektiven Empfinden.

Wir Männer brauchen Selfies. Haben wir also den Mut zur Selbstdarstellung. Nutzen wir den Trend … er wird sowieso irgendwann überholt sein.

Aber jetzt, hier und heute gehört die Welt den Männern mit Stil und Selfie.

KLICK … und ein Hoch auf die dargestellte Männlichkeit!