Der Tag hat so gemütlich begonnen. Und dann das …
Nach der zweiten Tasse Kaffee fällt dieser harmlose Satz: “Hast du heute etwas Bestimmtes vor mein Schatz?”
Ich werde hellhörig. “Schatz” nennt sie mich selten. Also … da muss etwas im Busch sein.
Ich sollte recht behalten.
Dann die (oh, wie ich sie hasse) Frage: “Wie wäre es, wenn wir heute wieder mal zu IKEA fahren?”
(An dieser Stelle ein Danke an alle männlichen Leser für das verständnisvolle Seufzen.)
Drei Stunden. Drei geschlagene Stunden haben meine Frau und ich bei IKEA verbracht.
Diese drei Stunden wären bei einem vernünftigen Möbeleinkauf ja nicht weiter verwunderlich gewesen, allerdings bestand die gesamte Ausbeute dieses Einkaufs aus nur sieben Kleinigkeiten. Sieben Kleinigkeiten, die wir ohne weiteres auch im Supermarkt um die Ecke bekommen hätten.
Vor allem weil es sich bei vier dieser Kleinigkeiten um Servietten handelte.
Warum zum Teufel stehen bereits gleich oben nach der Rolltreppe zwei große Kiste mit Servietten?
Wer schleppt schon zehn Packungen Servietten durch das ganze Möbelhaus? Vor allem, da jeder weiß, dass die Servietten unten in der Markthalle in hunderten Varianten mitzunehmen sind.
Ich vermute eine perfide Konditionierung dahinter. In der Frau soll durch eine wiederholte Sichtbarkeit des Produkts Serviette ein Bedürfnis geweckt werden.
Kennst du (als Frau) das IKEA-Fieber?
Die Möbelabteilungen haben wir ja ganz gut hinter uns gebracht, aber erste Anzeichen dieses Fiebers lassen sich dann schon in der Stoffabteilung erkennen. Die Schritte meiner Frau werden immer langsamer, die Augen bekommen diesen leicht glasigen Blick und ihre Wangen färben sich zart rot.
Meinen kläglichen Versuch in diesem Moment ihre Hand zu packen und sie mit einem energischen „Augen-zu-und-durch“ Richtung Kasse zu ziehen, quittiert sie mit einem süßen: „Wieso hast du es immer so eilig? Lass mich einfach ein bisschen schauen.“ Mit diesen Worten entzieht sie mir ihre Hand und wird in Sekunden zwischen den Regalen unsichtbar.
Ich stehe also mit dem Einkaufswagen – den natürlich ich schiebe, da sie ja zwei freie Hände braucht – etwas verloren im Mittelgang und frage mich, ob man IKEA nicht zum natürlichen Lebensraum der weiblichen Spezies zählen sollte.
Hinter mir höre ich ein leises Lachen, aber als ich mich umdrehe, schiebt da nur ein Mann mit verbissenem Gesichtsausdruck seinen Einkaufswagen voll mit Servietten schnell Richtung Ausgang.
In großen Schuhgeschäften gibt es ja wenigstens Sitzgelegenheiten, die für alle gestressten Männer ein wahrer Segen sind. Außerdem läuft dort in den Kinderabteilungen auf einem bunten Fernseher sehr oft „Ice Age“.
Nur die knallgelben Hocker sind meist etwas klein, aber wahrscheinlich liegt das daran, dass sie eben für Kinder und nicht für müde, typische Männer gedacht sind.
IKEA hat in dieser Beziehung kläglich versagt. Ich bin mir sicher, dass für die Planung des Verkaufbereichs eine Frau verantwortlich ist. Und für die ist naturgemäß eine Kiste mit Servietten wichtiger, als eine bequeme Video-Ecke für fußlahme, gestresste Männer.
Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen bei unserem nächsten Besuch eine schriftliche Rückmeldung mit dem Vorschlag eines “Männer-Wartebereichs” abzugeben. Wenn ich Glück habe und das Kundenfeedback nicht von einer Frau bearbeitet wird (was ich allerdings befürchte), könnte meine Anregung eine neue Geschäftsära für IKEA bedeuten …
Nachdem an diesem Nachmittag bereits die dritte Serviettenpackung in unserem Einkaufswagen landete, habe ich mich gefragt, worin für Frauen diese enorme Anziehungskraft von Servietten bei IKEA liegt.
Ich habe mich im Bekannten- und Freundeskreis umgehört und erstaunlicherweise ist es überall dasselbe.
Servietten sind unangefochten die Nummer Eins beim Einkauf bei IKEA. Knapp dahinter rangieren Kerzen (in der kalten Jahreszeit bevorzugt Teelichter), Stoffe, Bilderrahmen und Postkarten mit mehr oder weniger verspielt-romantischen Motiven als kleine Mitbringsel von der Einkaufstour.
Ich bin davon überzeugt, dass der Grund für diese Serviettensucht im Wesen der Frauen verborgen liegt. Ich habe einmal gelesen, dass sich Frauen nach Liebe und Geborgenheit, nach der Fülle des Lebens überhaupt sehnen.
Das scheint mir einleuchtend, denn ich kenne schließlich viele Frauen, die Seifenopern, Schokolade oder eben Servietten lieben.
Alle diese Dinge symbolisieren doch irgendwie die Fülle – eine Fülle von Gefühlen, Zucker und Farben – und damit das pralle Leben an sich.
Frauen verabscheuen die Leere und die Unbestimmtheit.
Sie wollen ständig den leeren Raum irgendwie füllen.
Mit Gefühlen (die wir Männer eher als Beschwerden wahrnehmen), selbst gehäkelten Tischdeckchen, Bildern, Duftkerzen, Vasen, Figuren von prallen Schutzengeln oder dürren, spitzohrigen Elfen oder eben Servietten, die in allen Farbnuancen die Schubladen füllen.
Ist dir klar, was das bedeutet?
Frauen können aus dem Vollen schöpfen, wenn ausreichend Servietten vorhanden sind. Die Welt und das Leben sind für sie dann in Ordnung.
Seit diesem Nachmittag habe ich mir angewöhnt meiner Frau von Zeit zu Zeit eine Packung Servietten mitzubringen.
Neben den üblichen Schnittblumen (Topfpflanzen kauft sie sich sowieso lieber selbst) kommen Servietten als Geschenk wirklich gut an. Meine Frau findet es toll, dass ich an „so etwas“ denke.
In letzter Zeit bevorzuge ich allerdings das Servietten-Kleinformat (zur Erklärung für Männer: Das bedeutet ein entfaltetes Format von 24×24cm im Gegensatz zu dem 40×40cm Großformat). Der große Vorteil bei diesem kleineren Format liegt für mich vor allem darin, dass ich nicht – wie bei den 40×40ern – Stunden damit verbringen muss, um die Servietten mit der Schere in der Mitte zu teilen.
Das große Format wäre zwar hübsch, aber eben Papierverschwendung … meint meine Frau.
Fazit:
Der Partnerin von Zeit zu Zeit eine Packung Servietten (24x24cm) zu schenken gehört zu den kleinen Gesten des Alltags, die das Beziehungsleben verbessern.