Männer geraten bei der Frage „Wie geht es dir?“ oft ins Stocken. Bei der Frage „Wie benutze ich das Internet auf meinem Smartphone? “ sind die meisten Männer jedoch in ihrem Element.
Diese erste Frage ehrlich zu beantworten ist für die meisten Männer schwer möglich. Ganz einfach deswegen, weil sie eben nicht genau wissen, wie es ihnen geht. Sie versuchen zwar für Sekundenbruchteile eine Antwort in ihrem Inneren zu finden, aber da nichts klar greifbar ist, sind die Antworten entweder diffus oder sehr allgemein.
Die Hauptaufgabe der Männer in der heutigen Zeit ist es, Kontakt zu den eigenen Emotionen zu bekommen. Diese Gefühle sind natürlich da. Männer sind von ihrer biologischen Anlage her nicht gefühlsärmer als Frauen. Gefühle sind natürlich. Sie definieren uns als Individuum. Gefühle können nicht einfach mehr oder weniger werden. Sie sind in uns allen vorhanden und angelegt.
Allerdings kann der Zugriff auf diesen „Gefühlspool“ eingeschränkt sein. Im Laufe der Entwicklung lernen Männer ganz einfach nicht, wie sie auf eine angemessene Art und Weise mit ihren Gefühlen umgehen können bzw. den Zugang dazu finden.
Das gilt vor allem für Gefühle, die mit der typisch männlichen Rolle angeblich nicht vereinbar sind. Hilflosigkeit, Angst, Trauer, Scham und oft auch Liebe und Mitgefühl zu zeigen und auszudrücken ist für viele Männer problematisch, weil sie es nie gelernt haben. „Männliche“ Gefühle wie Freude, Ärger, Wut oder auch Stolz werden leichter nach außen präsentiert.
Natürlich gibt es so etwas wie „weibliche“ oder „männliche“ Gefühle nicht. Gefühle sind allen Menschen zu eigen. Trotzdem werden sie in unserer Rollengesellschaft unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert. Ein Übermaß an Gefühlen zu zeigen, wird von den meisten Männern bewusst oder unbewusst immer noch als „weiblich“ gedeutet. Und wer ein echter Mann sein will, muss sich natürlich gegen ein Übermaß an Weiblichkeit abgrenzen. Dieses Verhalten wird primär durch Vorbild gelernt.
Damit ein Junge lernt die eigenen Gefühle als normal und nicht als „weiblich“ betrachten, braucht er Vorbild, Führung und Anleitung von anderen Männern, vor allem natürlich vom Vater.
Männer müssen sich Jungen gegenüber emotional zeigen. Sie müssen in angemessenem Rahmen ihre Hilflosigkeit, ihre Angst oder ihrer Trauer ausdrücken. Buben lernen dadurch, dass auch diese Gefühle zu einem echten Mann gehören und es nicht notwendig ist sie zu verdrängen. Die Anwesenheit des Vaters oder einer anderen, männlichen, respektierten Person ist für die Entwicklung eines gesunden Männerverständnisses lebensnotwendig.
Eine der häufigsten Beschwerden, die ich von Frauen in meinen Beratungen höre, ist es, dass Männer nicht reden wollen.
Dahinter steckt, wie oben erwähnt, die Unfähigkeit eigene Gefühle zu benennen und auch die Angst vor der gewaltigen Gefühlsintensität der Frauen.
Männer haben Angst, vom Gefühlsozean der Frauen und infolge davon von eigenen Emotionen überrollt zu werden. Wenn Männer schweigen, ist es also eine Abwehrreaktion, die Angst vor der eigenen Unergründlichkeit. Dieses männliche Schweigen trennt uns Männer leider immer mehr von unserer eigenen Seele.
Ein Warnsignal ist es, wenn ein Mann keinen echten Freund hat, mit dem er nicht nur über Banalitäten, sondern auch über intime und persönliche Dinge sprechen kann.
Auch die Gier nach Erfolg und beruflicher Anerkennung sind im Grunde nichts anderes als die Ablenkung von der eigenen Gefühlswelt. Männer erkennen sehr lange nicht, wie schlecht es um ihr Inneres bestellt ist. Sie lenken sich ab mit Alkohol, Sport, beruflichem Stress oder Affären. Es ist ihnen nicht bewusst, wie sehr sie wirklich leiden. Sie wagen es nicht die eigene Hilflosigkeit zuzugeben.
Aber nur wer das schafft, ist auch in der Lage um Hilfe zu bitten. Was glauben Sie, warum 80 % aller Ratsuchenden Frauen sind?
Der Schlüssel liegt also in der Fähigkeit des Mannes sich mit der eigenen Gefühlswelt vertraut zu machen. Das kann natürlich durch Coaching und Beratung, aber vor allem durch Kontakt, Gespräche und Austausch mit anderen Männern passieren. Ich weiß, das schreibe ich immer wieder, aber es ist ganz einfach der einzige Weg für uns Männer echt, authentisch, sensibel und spirituell zu werden. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.