Ich habe auch das Recht, keine Meinung zu haben. Ich muss mich nicht mit allem identifizieren, was irgendjemanden auf der Welt beschäftigt. Ich muss mich nicht in Themen hinein-pushen lassen und zu meiner Sache machen, obwohl sie das gar nicht sind. Ich muss nicht beanspruchen, alles zu wissen, bei allem die Kompetenz zu haben, überhaupt meinen Senf dazugeben zu können. Und ich muss nicht die Dringlichkeit verspüren, dass mir etwas wichtig ist, nur weil es jemand anders gerne so hätte oder weil es „der Gesellschaft“ aktuell wichtig ist.
Kurz gesagt, mir dürfen Dinge einfach egal sein.
Egal – nicht im ablehnenden oder abschätzigen Sinn, sondern, dass mir diese Dinge schlicht und ergreifend gleichgültig sind.
Es ist mir egal, wie sich jemand kleidet, welches Lebensmodell er verfolgt, ob er Fleisch isst oder vegan lebt, ob sich jemand als Mann, Frau, Fuchs, Gurke oder sonst was identifiziert. Die sexuelle Orientierung, um die aktuell so viel Wind gemacht wird, ist mir ebenfalls gleichgültig.
Warum? Weil ich in einem, aus heutiger Sicht, recht konservativen Haushalt aufgewachsen bin, in dem es um Respekt und Gleichwertigkeit ging – und der in der Retrospektive offener, fairer und respektvoller war, als es oft heute der Fall ist. Da waren die Dinge recht klar:
Geht es dich was an? Dann sei aktiv, bringe dich ein, steh dazu, unternimm was. Du hast was angestellt? Steh dafür gerade, komm dafür auf. Es ist dir wichtig? Setze dich dafür ein. Du willst was ändern? Dann ändere es.
Geht es dich nichts an? Dann halte dich raus und kümmere dich um deine Angelegenheiten. Dir passt nicht, was jemand sagt oder tut? Dann gib dich nicht mit demjenigen ab. Und ein Satz meiner Großmutter, der noch heute in meinen Ohren klingt: Kehre vor deiner eigenen Türe.
Es geht mich in Wahrheit gar nichts an, was irgendwo jemand macht, isst oder wen er liebt.
Es geht mich gar nichts an, ob jemand lieber Mann, Frau oder was anderes wäre. Ich habe gar nicht die Ausbildung und Kompetenz, zu allem eine qualifizierte Meinung zu haben! Und wenn es mich nichts angeht, brauche ich auch keine Meinung zu haben. Es steht jedem frei, sein Leben so zu gestalten, wie er möchte; sich um das zu kümmern, was ihm wichtig ist; seine eigenen Prioritäten zu setzen. Aber es steht nicht jedem frei, mich zwingen zu wollen, eine Meinung zu einem Thema zu haben, das mich weder interessiert noch betrifft, geschweige denn, mich einer Meinung unter Zwang anzuschließen.
Da ist die Grenze. Ich möchte nicht Teil von Bewegungen sein, die mit mir nichts zu tun haben; ich möchte nicht jemanden „feiern“ müssen oder „stolz“ auf ihn sein müssen, weil er sein Leben so lebt, wie er es für richtig hält. Ich erwarte mir ja auch nicht, dass jemand eine Flagge für mich schwenkt, nur weil ich mit mir zufrieden bin. Ich möchte nicht aus Solidarität mit Einzelnen in Hysterie verfallen müssen. Und all das nur, weil ich eine Meinung – die „richtige Meinung“ – haben soll.
Denn ich habe auch das Recht, keine Meinung zu haben. Das ist zu respektieren.
Warum sollte ich zu allem eine Meinung haben?
Was tue ich, um zu unterscheiden, ob mich etwas belangt oder nicht?
In welchen Bereichen habe ich die Qualifikation, eine Meinung zu haben?
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch
„MAN POWER. Die Wiederentdeckung der Männlichkeit.: Der Kompass für Charakterentwicklung, Identität und Selbstmanagement.“ von Gernot Blümel.
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