Der Traum von der großen, ewigen Liebe, die das ganze Leben bis zum Tod dauert … was für eine wunderschöne Idee. Wir träumen von der einen, schicksalhaften Begegnung, die uns überwältigt und alle unsere (Beziehungs-)Wünsche wahr werden lässt.

Diese Idee ist romantisch, legt aber die Verantwortung für unser Glück in die Hände eines anderen Menschen. Ihr ahnt es sicher …. jeder Mensch ist für die Liebe in seinem Leben selbst verantwortlich.

In unserem Leben kann uns Liebe begegnen, die kurz andauert (vielleicht einige Wochen) uns aber bis ins Mark erschüttert. Und es gibt Beziehungen, die in dem Konstrukt der Ehe ein Leben lang bestehen bleiben und nur von Moralvorstellungen unserer Gesellschaft zusammengekleistert werden.

Was wir aber wissen wollen: Kann die eine, mich tief berührende Liebe ein Leben lang dauern?

Wir wünschen uns, dass es so ist, andernfalls würde doch der Ehe als lebenslange Gemeinschaft eine wichtige Grundlage entzogen werden. Die Ehe als Institution und Zweckgemeinschaft wurde aus anderen Gründen ins Leben gerufen, auf die ich aber hier nicht weiter eingehen möchte. Natürlich werden viele Ehen aus Liebe geschlossen enden aber heutzutage in weit über der Hälfte aller Fälle in einem Status, der mit echter Liebe nichts mehr zu tun hat.

Wie im ersten Teil dieser Serie erwähnt, ist Liebe die Eigenschaft offen für das Jetzt zu sein und mit sensitiven Herzen zu lauschen. Liebe mit verschlossenen Herzen ist unmöglich. Offenheit bedeutet genauso sich verletzlich zu zeigen, den Augenblick zu erleben und nicht festhalten zu wollen.

Liebe strebt nicht nach Sicherheit oder Besitzenwollen des Partners.

Diese Idee des „Du-bist-mein“ ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet und macht auch vor der Idee der Liebe nicht halt. Liebe lässt sich nicht besitzen. Besitzenwollen zerstört. Jemand der krampfhaft etwas festhalten möchte ist nicht mehr offen für den Augenblick. Seine Sinne sind nicht mehr nach vorne sondern auf die Vergangenheit gerichtet.

Liebe lässt sich nicht mit der Uhr messen. Sie wird jetzt erlebt und nicht in Stunden oder Jahren bewertet. Liebe und Sicherheit schließen sich aus, denn auch die Liebe bewegt und verändert sich. Natürlich wünschen wir uns alle schöne Momente, Beziehungen und Menschen festzuhalten. Das entspricht unserer erlernten, menschlichen Natur. Aber ein Mensch der dem Gestern nachtrauert, kann nicht gleichzeitig offen in der Gegenwart leben.

Ein Mensch, der von Sicherheit, Verpflichtung oder auch Treue spricht, meint nicht die echte Liebe, sondern eine Hinwendung, die an Bedingungen geknüpft ist.

Liebe wird im Jetzt geboren und jeder Moment entsteht neu. Und doch ist es möglich, dass Liebe zwischen zwei Menschen ein Leben lang dauert. Das gelingt jedoch nur dann, wenn diese beiden Menschen immer wieder neu aufeinander zugehen und sich neu entdecken.

Eifersucht z.B. hat hier keinen Platz. Aber gehört Eifersucht nicht irgendwie zur Liebe? Eifersucht kennen wir alle. Sie ist alltäglich und viele meinen, dass sie irgendwie eine Art von Liebesbeweis ist.

Hinter Eifersucht steht immer Angst.

Die Angst, das Objekt meiner Liebe zu verlieren und selbst nicht mehr geliebt zu werden. Die Angst, dass mir etwas weggenommen wird, vor dem ich glaube, dass es mir zusteht. Wir sind eifersüchtig auf Menschen bzw. auf jede Art von Zuwendung, die mein Partner einem Menschen oder auch einer Sache entgegenbringt, die nichts mit mir zu tun hat und an der ich nicht teilhaben kann.

Ich kann eifersüchtig auf die Zeit sein, die mein Partner mit Freunden oder seinem Hobby verbringt und natürlich auf Menschen des anderen Geschlechts. Letztere Form der Eifersucht ist gesellschaftlich akzeptiert und gilt fast als normal in einer gesunden Beziehung. Echte Liebe entspringt der Seele. Ich will lieben und nicht besitzen oder festhalten.

Bei der Liebe steht an erster Stelle das Geben.

Und wenn beide Partner geben, kommt natürlich auch das Bekommen dazu. Ich gebe Liebe und ich erhalte Liebe vom anderen zurück. Und genau hier entsteht sehr oft eine Form des Besitzanspruches und damit die Eifersucht.

Die schönste Liebe entsteht jedoch, wenn sich zwei Menschen ohne Anspruch begegnen, nur das Herz des anderen sehen und sich nicht gegenseitig als Objekt betrachten. Eine Wurzel der Eifersucht liegt in dem erwähnten Besitzanspruch, der in unserer Gesellschaft üblich ist, eine andere liegt in unserer Kindheit.

Die Angst die Zuwendung, die Nähe und die Liebe unserer Eltern zu verlieren, ist die erste negative, erlebte Empfindung in unserem Leben.

Diese Angst verschwindet im Älterwerden bei den meisten von uns leider nicht. Viele erhalten in ihrer Erziehung einfach nicht die Sicherheit und die Liebe, die sie benötigen würden um ein gesundes Vertrauen in die Welt zu entwickeln. Aus diesem Zuwenig an Liebe entsteht die Angst nicht genügend Liebe zu bekommen und damit die Eifersucht.

Liebe kann „geübt“ werden. Wir können lernen aufmerksamer und offener zu sein. Wir können uns dem Geben zuwenden und weniger dem Bekommen. Das ist nicht einfach und verlangt tägliche Anstrengung aber letztendlich der einzige Weg um glücklich zu werden und wahre Liebe zu erfahren. Liebe ist eine Frage der Offenheit. Ich bin ihr nicht willenlos oder schicksalhaft ausgeliefert. Ein Mensch, der zur Liebe bereit ist, kann sich leicht verlieben. Und zu Beginn ist die „Qualität“ dieser Liebe immer gleich.

Solange bis … ja, bis unser Verstand in Spiel kommt und beginnt die Frage zu stellen: Ist es der oder die Eine? Irgendwann nach dem ersten Sturm der Verliebtheit kommen weitere Fragen und Bewertungen. Fragen nach Job, Status, Weltanschauung, Familiensinn, Verantwortungsbewusstsein, Lebensstil usw. Ergeben die Antworten in Summe ein „positives Ergebnis“ wird der Liebe weiter eine Chance gegeben.

Das klingt nüchtern. Und doch laufen bei allen von uns diese inneren Vorgänge und Wertungen ab. Und jetzt lege ich noch eins drauf: Ein Mensch, der sich der ECHTEN Liebe verpflichtet, muss nicht unbedingt treu sein, nicht im konventionellen Sinn. Er ist der Liebe treu aber nicht einem einzigen Menschen – außer er entscheidet sich dafür. So ein Mensch würde nicht verstehen, warum er nicht auch andere Menschen lieben dürfen sollte.

Wir alle können mehrere Menschen lieben … mit der gleichen Intensität. Die echte Liebe kennt kein Besitzdenken, kein „Du-bist-nur-mein“. Psychologisch ist das verständlich aber nicht konventionell-gesellschaftlich. Es passt einfach nicht in das Konzept der meisten Menschen, das wir von Partnerschaft oder Ehe haben.

Jede Liebe ist – wenn sie echt ist – eine wahre Liebe. Unterschiede liegen nur in der Individualität der geliebten Menschen.

Eigentlich komisch, dass sexuelle Untreue sehr oft verziehen wird, wenn die Liebe (zum eigentlichen Partner) bestehen bleibt. Wenn aber die Liebe zu einem anderen Menschen entdeckt wird und sich entwickelt, dann ist die Verletzung meist größer. Das Körperliche wird eher verziehen als die Liebe. Sollte nicht Liebe vor Sex stehen?

Der Sinn einer Beziehung liegt weder in Sicherheit oder Treue, sondern einzig und allein im Erfahren von Liebe.

Liebe ist – wie schon Erich Fromm geschrieben hat – eine Kunst. Und eine Kunst muss geübt und erarbeitet werden. Doch davon im nächsten Artikel mehr …