Es wird oft über Sex geschrieben und wenig über die Liebe. Sex beinhaltet viel mehr „technische“ Aspekte, die sich beschreiben und erklären lassen. Die Liebe muss in erster Linie erlebt werden und Erlebnisse lassen sich nicht mit wissenschaftlichen Verfahren messen. Über die Liebe kann man nachdenken, man kann versuchen sie zu beschreiben, aber vor allem muss sie erfahren werden.

Die meisten Menschen werden mit der Aussage übereinstimmen, dass Liebe unser Weg zu Glück, Gesundheit und letztendlich auch Weisheit ist. Das Geheimnis der Liebe liegt in ihrem Wesen. In ihrer tiefsten Essenz ist Liebe Freiheit und das Leben selbst. Um Liebe im eigenen Leben zu erfahren, ist Mut notwendig, denn es ist nicht einfach sich den eigenen Gefühlen zu stellen und dem „Ruf der Seele“ zu folgen. Denn Liebe hat mit unserem Innersten zu tun, aber dazu werde ich noch später kommen.

In meiner Beratungspraxis begegne ich immer wieder denselben Fragen. Wie werde ich glücklich? Warum habe ich Angst? Warum bin ich traurig und depressiv? Warum fühle ich mich gefangen und unter Druck? Warum habe ich immer Probleme in meinem Partnerschaften? In all diesen Fragen geht es um das seelische Gleichgewicht und damit auch um die Liebe.

Was ist Liebe wirklich? Gibt es „falsche Liebe“? In welchen Verkleidungen begegnet uns die Liebe? Warum wird das Wort so oft missbraucht und falsch verstanden?

In dieser Artikelserie werde ich versuchen diese Fragen zu beantworten. Und auch wenn sich die Liebe – wie oben erwähnt – nicht über Worte und den Verstand erfahren lässt, so können Worte doch wertvoll sein um eine Tür zu öffnen.

Und beginnen möchte ich diese Serie trotzdem wieder mit dem Thema Sex ;-)

Ganz einfach deswegen, weil Liebe und Sex im Partnerschaftlichen einerseits zusammengehören, andererseits verschieden sind und doch immer wieder Quelle für viele Probleme und Missverständnisse darstellen. Wir können Sex haben ohne zu lieben und wir können lieben ohne Sex zu haben. Das ist für die meisten Menschen nichts Neues und doch verhalten sich viele so, als wüssten sie das nicht.

Siegmund Freud (Begründer der Psychoanalyse) und Wilhelm Reich (Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe) haben der sexuellen Energie einen enormen Einfluss auf unsere psychische Gesundheit zugeschrieben. Und auch heute sind sich alle Experten darüber einig, dass die sexuelle Befriedigung eine große Rolle für unser inneres Wohlbefinden spielt. Wenn sexuelle Energie sich nicht entladen kann und nicht abgebaut wird, führt das zu Spannungen, Frustrationen und Krankheit.

Unsere Gesellschaft gibt sich, was die sexuelle Thematik betrifft, viel offener und toleranter als noch vor einigen Jahrzehnten. Sexualität ist in ihrem Ausdruck freier geworden. Offene Beziehungsformen, Polyamorie (Liebesbeziehungen zu mehr als einem Menschen zur selben Zeit), Homosexualität und natürlich die allgegenwärtige Pornographie sind neben dem „klassischen Ausdruck“ von Sexualität mehr oder weniger akzeptierte Teile unserer Gesellschaft. Und auch wenn die Sexualität in ihren Ausprägungen scheinbar freier geworden ist, bedeutet das nicht automatisch, dass auch der einzelne Mensch freier und damit zufriedener wird.

Sexualität ist eine mächtige Energie, die aber nur einen Teil unseres Innenlebens ausmacht und nur dann vollkommen befriedigen kann, wenn auch die Kraft der Liebe entwickelt wird.

Die Unterschiede zwischen Liebe und Sex verschwimmen. Sex wird oft wichtiger und als Voraussetzung für Liebe genommen. Viele Paare wissen nicht mehr, ob sie lieben oder den anderen nur begehren. Sex wird leider oft konsumiert und nicht mit allen Sinnen erlebt und genossen.

Wir alle sind gezwungen uns mit dem Thema der Sexualität auseinander zusetzen. Tag für Tag. Als eine natürliche Energie drückt sie sich ständig in und über unseren Körper aus. Wir können sie nicht leugnen und nicht verdrängen. Was jedoch in unserer Verantwortung liegt, ist die Möglichkeit diese Energie zu kanalisieren. Längerfristig reichen dabei rein körperlich-sexuelle „Entladungen“ nicht aus. Diese können natürlich lustvoll und wunderschön sein, befriedigen auf lange Sicht aber nicht die Bedürfnisse unserer Seele. Das kann nur der Liebe tun, genauer gesagt die Entwicklung der Fähigkeit auf eine umfassendere Art und Weise zu lieben.

Nehmen wir als Beispiel für die Vermischung von Sex und Liebe den Orgasmus. Der Höhepunkt ist – biologisch betrachtet – das funktionelle Ziel beim Sex, ausgerichtet auf die Fortpflanzung. Die Natur hat das sehr clever eingefädelt. Die Erhaltung der menschlichen Spezies soll schließlich lustvoll sein und keine lästige Pflicht. Darum streben wir ja auch immer wieder nach Wiederholung. Fortpflanzung ist allerdings nicht automatisch an Liebe gekoppelt. Wir alle wissen jedoch, dass mit der Liebe auch die sexuelle Erfahrungen ungleich tiefer und erfüllender werden kann.

Liebe hat die Eigenschaft jede menschliche Erfahrung – auch die Sexualität – intensiver und beglückender werden zu lassen. Ohne die „Zutat“ Liebe verliert jede Form der Begegnung an Tiefe und Sinn.

Liebe ist nicht auf den Orgasmus ausgerichtet. Liebe findet ihr Ziel in jeder Form der seelischen Begegnung.

Letztendlich ist Liebe das Erfahren von Einheit, die Auflösung des Getrenntseins.

Der Orgasmus beim Sex kann uns für einige Sekunden genau diese Gefühle vermitteln. Auflösung, Verschmelzung und Einheit. Die körperliche Vereinigung und der gemeinsame Höhepunkt, sind Spiegelbilder eines geistigen Prozesses, einer tiefen, spirituellen Wahrheit.

Liebe ist für den Sexualakt nicht notwendig, verleiht dem Ganzen jedoch seelische Tiefe. Das trifft natürlich nicht nur auf die Sexualität zu. In jedem Aspekt unseres Lebens ist die „Zutat“ Liebe eine Bereicherung. Jede Art von Beziehung oder Tätigkeit wird dadurch reicher. Unsere Arbeit, ein Hobby, der Kontakt zu unseren Mitmenschen, Begegnungen mit Tieren oder das Erleben der Natur … ist Liebe dabei, dann ist es auch ein Teil unserer Seele.

Unser gesamtes Leben kann theoretisch auch ohne Liebe funktionieren. Ich kann meinem Beruf nachgehen, mit meinen Mitmenschen sprechen und auch mit einem Partner zusammen leben … all das ohne Liebe. Viele von uns erleben den Alltag in einigen Bereichen leider auf diese Weise. Sie leben nicht nur ohne Liebe für das, was sie tun und sind, sondern sogar mit Abneigung und Angst.

Liebe setzt offene Sinne voraus.

Als Fähigkeit bedeutet sie, mich selbst und die Welt um mich herum mit offenen Augen und Ohren positiv wahrzunehmen. Deshalb ist ein Werkzeug um Liebe zu entwickeln, die Sinnlichkeit. Damit meine ich das Entwickeln einer Sensitivtät für mich und meine Umgebung, offen etwas für wahr-zu-nehmen.

Unser Alltag mit seiner Eintönigkeit und seinem Medienkonsum stumpft unsere Wahrnehmungsfähigkeit, unsere Sensitivität und damit auch unsere Liebesfähigkeit ab. Damit verlieren wir an Lebendigkeit je älter wir werden, wenn wir dem nicht aktiv entgegenwirken. Wir können die Liebe nicht loswerden, sondern nur verdrängen. Denn Liebe ist das, was wir sind.

Um die Fähigkeit der Liebe zu entwickeln ist ein ernsthaftes Nachdenken über meine Gefühlswelt notwendig, genauso wie der Versuch mit meiner Seele in Kontakt zu treten. Es bedeutet ein offenes Herz zu haben, die Tür zu meinem Inneren weit aufzumachen und eintreten zu lassen, was das Jetzt bringt.

In TEIL 2 geht es um ewige Liebe, Eifersucht und Schicksal …